Ich arbeite gerne in der Pflege. Es ist weniger ein Reiz, das Ansehen oder der Verdienst, als vielmehr das Verlangen, etwas Besonderes zu unserer heutigen Gesellschaft beizutragen. Mir gefällt auch die Mischung aus gesundem Menschenverstand, Humor, Belastbarkeit, Empathie und Akzeptanz, welche man als Pflegekraft mitbringen sollte. Aber, für ein einzelnes Individuum gibt es einfach zu viel zu tun, die emotionale Belastung ist groß, die Bezahlung zu schlecht. Ist man als „Berufsanfänger" in den „Traumberuf" am Anfang motiviert und überzeugt eingestiegen, so erfährt man leider relativ schnell, dass der Job einen tristen, kalkulierten und menschenunwürdigen Plan verfolgt, den man Punkt für Punkt und Minute für Minute nachgehen soll. Für echte und ehrliche zwischenmenschliche Beziehungsarbeit, einer der großen Eckpfeiler der Pflege, bleibt meist keine Zeit.
Wir Pflegekräfte arbeiten im Schichtdienst, mal Früh-, Spät- und Nachtdienst. Die Arbeit ist anstrengend, keine Frage. Es ist nicht einfach, sich beim ständigen Heben und Bücken den Rücken kaputt zu machen, den Tod zu sehen oder sich auch von Angehörigen oder auch Patienten und Bewohnern beschimpfen zu lassen, weil diese natürlich denken, wir Pflegekräfte sind Schuld an der der großen Kluft, zwischen Realität und Anspruch in unserem Gesundheitssystem, dass so vieles verspricht und doch nur wenig leisten kann aufgrund der Problematik des Pflegenotstandes. Und so stand ich meist, wie viele andere Pflegekräfte auch schon, am Ende nur mit den berühmten „drei S" da, jeder weiß was diese bedeuten: „satt, sauber, still". Eine gängige Regel in den Krankenhäusern oder Seniorenzentren bundesweit, denn für mehr reicht meist die Zeit nicht aus. Ein Umstand der viele Pflegekräfte, auch mich, sehr frustriert und wütend macht, da alle Pflegekräfte bestimmte Ansprüche an ihre Arbeit haben. Ich bin mit Leib und Seele Pflegekraft und ich habe festgestellt, dass diese hohen Belastungen nicht aus dem interessanten Beruf an sich, sondern aus den vielfach schwierigen Arbeitsbedingungen heraus entstehen.
Jetzt kann man als Außenstehender oder auch Politiker sagen, die Pflegekräfte könnten z.B. dieses Heben bei Bedarf zu zweit machen, dann wäre die Belastung für die einzelne Pflegekraft weit geringer, doch dafür fehlen oft Zeit, Geld, Personal oder auch Gerätschaften in den Einrichtungen. Moment, man muss zu Gute halten, dass es zwar meist eine „Grundausstattung" gibt, wie z.B. Stehlifter, Tuchlifter etc, die den Pflegekräften die Arbeit erleichtern und den Rücken schonen sollen. Aber die traurige Praxis ist dann sehr oft, dass die Zeit fehlt, quer durchs Haus zu laufen, die Gerätschaften erstmal zu suchen und dann zu holen. Jeder der schon einmal in einem Dienst unterbesetzt war, weiß wovon ich rede. Es ist schwer die Ruhe zu bewahren oder diese „berühmten fünf Minuten" zu finden, wenn alle Patientenrufe gehen, die Arztvisite vor der Tür steht, noch Medikamente zu richten, Infusionen anzuhängen sind etc.
Natürlich weiß ich als Pflegekraft, dass es mit Essen anreichen, Medikamenten verteilen, Spritzen geben, Infusionen anhängen, lagern, Verbandswechsel oder auch reiner Körperpflege nicht getan ist und jeder Patient oder Bewohner besondere Zuwendung benötigt. Diese sollte man täglich erkennen und dann auf diese Bedürfnisse eingehen. Jeden Tag aufs Neue. Das kann auch äußerst anstrengend sein für die Pflegekräfte. Wir müssen „unsere Leute" in und auswendig kennen, soziale Komponenten, Vorerkrankungen etc., wir müssen Wissen in Psychologie, Soziologie und Medizin haben. Diese komplette Leistung, die sämtliche Pflegekräfte tagtäglich erbringen müssen, wird von der Öffentlichkeit aber einfach nicht anerkannt und dadurch ist leider die Pflege älterer, kranker und schwacher Menschen in unserer Gesellschaft bedroht. Nur wenige wollen diesen Beruf in der Pflege noch ausüben. Dann sind da noch die wenigen Altenpflegekräfte, Pflegeassistenten und Krankenpflegekräfte, also Pflegekräfte wie Du und ich, die Tag und Nacht versuchen sich um diese Menschen zu kümmern, wir arbeiten meist am Rande der körperlichen Belastbarkeit. Deshalb sind die verbliebenen Pflegekräfte meistens restlos überfordert, weil sie eben überarbeitet sind. Dadurch werden diese wenigen verbliebenen und tapferen Menschen öfters krank und durch diese permanente Überlastung kündigen auch oft Pflegekräfte oder steigen komplett aus. Was für mich komplett verständlich, aber auf Dauer keine Lösung ist. Und so geht für die restlichen Pflegekräfte, die im Gesundheitssystem verbleiben, das ganze Spiel wieder von vorne los und der Kreislauf dreht sich weiter.
Mir stellt sich sehr oft die Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben. Einer Gesellschaft, die alten, kranken und schwachen Mitgliedern eine gerechte pflegerische Versorgung in Krankheit und Alter sehr schwer, ja fast unmöglich macht. Was eben diese Einstellung der Gesellschaft bedeutet, wo „Kranke und Alte" keine „Lobby" haben und die Pflegeberufe konsequent ausgebeutet, wenig wertgeschätzt und ungerecht behandelt werden. Wo man auf der Straße und im Freundes- oder Bekanntenkreis belächelt, der Kopf geschüttelt oder die Nase gerümpft wird, wenn es heißt man arbeitet „in der Pflege". Jeder kennt die berühmten Sprüche.
Trotz diesen ganzen Problemen und dem Notstand bin ich gerne Pflegekraft und das seit etlichen Jahren. Es ist nicht immer leicht. Es raubt einem die Kräfte. Es ist frustrierend und unbefriedigend. Auch ich habe schon öfters mal die Geduld, den Anspruch an mich selbst und meine Arbeit verloren. Wollte und konnte nicht mehr. Aber auch gerade deswegen brauchen die Pflegeberufe in der heutigen Zeit eben diese „tapferen Pflegekräfte". Diese Pflegekräfte, welche sich wehren, engagieren, organisieren. Die eben für diese Grundprinzipien der Pflege wieder einstehen und sie hochhalten. Die nicht immer die „Flinte ins Korn" werfen, auch wenn man es oft möchte. Wir sind natürlich alle keine „Superhelden", sondern auch nur Menschen, haben Schwachstellen, sind irgendwann „des Kämpfens" müde. Aber genau dann denke ich mir ich muss kämpfen und einstehen für diesen Berufsstand, denn am Ende braucht jeder Leute wie uns und jeder hat ein Anrecht auf eine gute Versorgung.